Über Wissenschaftsreflexion

Was ist Wissenschaftsreflexion?Wissenschaftreflexion: Mindmap zur Wissenschaft

Der Erkenntnisgegenstand der Wissenschaftsreflexion sind die Wissenschaft(en) und ihre Einbettung in diverse gesellschaftliche Kontexte. Wissenschaftsreflexion kann somit aus verschiedenen (Fach-)Perspektiven betrieben werden, die oft interdisziplinär zusammenkommen. Dabei können unterschiedliche Aspekte des Erkenntnisgegenstands in den Blick genommen werden – die folgende Aufzählung listet einige Beispiele.

 

 

 

 

Bilder (in) der Wissenschaft

Bilder und die visuelle Erfassung von wissenschaftlichen Gegenständen tragen wesentlich zum Erkenntnisprozess bei. Dies gilt für den Forschungsprozess selbst, aber gerade auch für die Vermittlung von wissenschaftlichen Ergebnissen an eine breitere Öffentlichkeit spielen Bilder eine wichtige Rolle. Die Art und Weise der Visualisierung kann dabei ganz unterschiedliche Funktionen übernehmen und fachspezifisch ausgeprägt sein.

Forschungsfragen in diesem Bereich können beispielsweise folgende Aspekte umfassen:

  • Welche Rolle spielen Bilder und Visualisierungen im Erkenntnisprozess?
  • Wie lässt sich eine Visual Culture für die Wissenschaften erfassen?
  • Wie hat sich Einbindung und Ausgestaltung von wissenschaftlichen Bildern in verschiedenen Fachdisziplinen über die Zeit entwickelt?

Forschungskontexte

Wissenschaft wird in unterschiedlichen Kontexten betrieben: In Hochschulen und Universitäten, in speziellen Forschungseinrichtungen oder auch in Unternehmen. Dabei bestimmen die jeweiligen Bedingungen des Kontexts den Ablauf von Forschung, die Art der Ergebnisse und deren Verwendung.

Forschungsfragen in diesem Bereich können beispielsweise folgende Aspekte umfassen:

  • Wie kann Interdisziplinarität gelingen?
  • Was sind die gesellschaftlichen Folgen von „Fast Science“, d.h. einer Wissenschaft, die auf möglichst viele Ergebnisse in möglichst rascher Zeit zielt?
  • Zieht Forschung in wirtschaftlichen Unternehmen eine Privatisierung von Wissen nach sich, und wenn ja, was sind deren Folgen?

Geschichte(n) der Wissenschaft

Wissenschaft ist keine Erfindung unserer heutigen Zeit, sondern wird seit Tausenden von Jahren betrieben. Wissenschaftsgeschichte beschäftigt sich daher mit der Rekonstruktion von wissenschaftlichem Handeln zu verschiedenen Zeiten und Epochen.

Forschungsfragen in diesem Bereich können beispielsweise folgende Aspekte umfassen:

  • Wie haben sich bestimmte Disziplinen entwickelt?
  • Welchen Einfluss hatten politische, soziale, geographische etc. Ereignisse auf Wissenschaft?
  • In welcher Beziehung standen unterschiedlichen Wissenschaften (z.B. Geistes- und Naturwissenschaften) in einer bestimmten Ära zueinander?

Human Factors in der Wissenschaft (und darüber hinaus)

Wissenschaft wird von Menschen betrieben. Insofern bildet die menschliche Natur – mit ihrer spezifischen Art der Wahrnehmung, ihren psychischen Dispositionen und Emotionen – einen festen Bestandteil des Forschungsprozesses und stellt Teil der vermeintlich objektiven Herangehensweise von Wissenschaft dar.
Aber nicht nur das Menschsein im Allgemeinen, auch spezifische Persönlichkeiten sind von Interesse, beispielsweise wenn es darum geht, Biografien, Voraussetzungen und Stationen im Forschungsprozess nachzuzeichnen.
Schließlich kann Forschung auch in Interaktion mit anderen Wesen, wie Tieren und Pflanzen, resultieren, die aufgrund ihrer speziesbezogenen Eigenschaften den Forschungsprozess beeinflussen können.

Forschungsfragen in diesem Bereich können beispielsweise folgende Aspekte umfassen:

  • Welche Rolle spielen z.B. Emotionen, implizites Wissen oder Bias im Forschungsprozess? Wie lassen sich diese feststellen? Wie kann ihr Einfluss auf Forschung kontrolliert werden?
  • Wie gestalten sich Mensch-Tier-Interaktionen?
  • Wie lassen sich bestimmte Perspektiven auf Forschungsgegenstände, u.a. unter Berücksichtigung biografischer Hintergründe, verstehen?

Konstruktion von Wissenschaft

Es gibt keine von Menschen unabhängige Forschung. Ihre Vorangehensweise – und damit auch ihre Ergebnisse – sind vielmehr Produkte sozialen Handelns. Darüber hinaus werden sie dadurch beschränkt, wie und was Menschen wahrnehmen, verstehen und entscheiden. Damit sind Wissenschaft und das von ihr erzeugte Wissen Konstrukte, d.h. ihre Resultate resultieren auf bestimmten (sozialen, technischen etc.) Voraussetzungen.

Forschungsfragen in diesem Bereich können beispielsweise folgende Aspekte umfassen:

  • Was sind die Hintergründe wissenschaftlicher Grenzziehungen oder Kategorisierungen?
  • Welchen Einfluss hat die Organisation einer wissenschaftlichen Einrichtung auf Forschung und ihre Ergebnisse?
  • Welche Rolle spielen soziale Prozesse bei der Entstehung von Wissen?

Kultursysteme der Wissenschaft

In verschiedenen Regionen haben sich wissenschaftliche Disziplinen oft auf unterschiedliche Arten und Weisen entwickelt, so dass sich hier kulturelle Unterschiede zeigen. Aber auch innerhalb einer Region differieren wissenschaftliche Disziplinen voneinander, beispielsweise darin, welche Forschungsmethoden zum Einsatz kommen, welchen Denkansätzen sie folgen oder auf welchen Traditionen sie beruhen. Insofern können einzelne Fachdisziplinen ebenfalls als unterschiedliche Kultursysteme bezeichnet werden.

Forschungsfragen in diesem Bereich können beispielsweise folgende Aspekte umfassen:

  • Wie und worin unterscheiden sich einzelne Wissenschaftskulturen?
  • Wie lässt sich der Einfluss kultureller Dimensionen auf den Forschungsprozess nachzeichnen?
  • Welches Selbstverständnis hat Wissenschaft / haben verschiedene Wissenschaften von sich?

Methoden in der Wissenschaft

Wissenschaft beruht auf Methoden – die Methoden sind sozusagen der Weg zum (Forschungs-)Ziel. Dementsprechend variieren wissenschaftliche Methoden von Fach zu Fach, aber auch innerhalb einer Disziplin kommen unterschiedliche Vorangehensweisen zum Einsatz.

Forschungsfragen in diesem Bereich können beispielsweise folgende Aspekte umfassen:

  • Wie forscht man hier? Wie forscht man woanders?
  • Welche Rolle spielt der Zufall in der wissenschaftlichen Vorangehensweise?
  • Wie haben sich Forschungspraktiken über die Zeit entwickelt und verändert, welche Faktoren spielen dabei eine Rolle?

Orte der Wissenschaft

Forschung und Wissenschaft wird an bestimmten Orten betrieben. Diese können einen festen Platz haben (wie Büros, Labors etc.), aber Wissenschaft findet auch auf (Forschungs-)reisen oder an unterschiedlichen geographischen Lokationen statt.

Forschungsfragen in diesem Bereich können beispielsweise folgende Aspekte umfassen:

  • Wo findet Wissenschaft statt? Welchen Einfluss hat die jeweilige Umgebung auf den Forschungsprozess?
  • Welchen Einfluss hat der virtuelle Raum auf Forschungsorte und Forschungsprozesse?
  • Welche Rolle können öffentliche Institutionen (wie Museen) und die Beteiligung der Bürger:innen an wissenschaftlichen Projekten spielen?

Scheitern in der Wissenschaft

Scheitern hatte lange ein negatives Image. Doch Scheitern – Fehler machen, sich irren, in einer Sackgasse landen – ist wichtig, um anschließend mit den gemachten Erfahrungen den Forschungsprozess besser zu machen.

Forschungsfragen in diesem Bereich können beispielsweise folgende Aspekte umfassen:

  • Welche Formen kann Scheitern in den Wissenschaften annehmen?
  • Welche Funktionen hat Scheitern?
  • Welche Bedingungen sind Voraussetzung für einen produktiven Umgang mit Scheitern?

Sprache (in) der Wissenschaft

Sprache ist ein unabdingbarer Bestandteil wissenschaftlichen Handelns: Sie ist elementar, wenn es um das Fassen und Erfassen von Konzeptionen und Vorhaben geht, aber auch, was Anleitung und Umsetzung spezifischer Schritte im Forschungsprozess betrifft. Sie ist darüber hinaus wesentlicher Bestandteil der Ergebnisfixierung und damit der Kommunikation über Forschung innerhalb der wissenschaftlichen Community.

Sprache dient aber nicht nur der Erfassung und Beschreibung von Forschungsvorhaben, vorhandene sprachliche Kategorisierungen und Bedeutungszuschreibungen können auch auf die Art und Weise, wie etwas erfasst wird, einwirken.

Forschungsfragen in diesem Bereich können beispielsweise folgende Aspekte umfassen:

  • Welche Rolle spielen Narrative beim Forschungsprozess und in der Vermittlung von Forschungsergebnissen?
  • Welche typischen Merkmale weisen wissenschaftliche Texte auf?
  • Welchen Einfluss hat Sprache und Versprachlichung auf den Erkenntnisprozess?

Verhältnis zwischen Wissenschaft und Gesellschaft

Wissenschaft wird in unterschiedlichen Einrichtungen betrieben, beispielsweise in Hochschulen, in Forschungszentren oder in Unternehmen; sie ist somit Teil der Arbeitswelt und als solcher integraler Bestandteil der Gesellschaft. Nichtsdestotrotz wird oft von „Wissenschaft und Gesellschaft“ gesprochen, und damit eine gewisse Gegensätzlichkeit zwischen Forschenden und anderen gesellschaftlichen Gruppen zum Ausdruck gebracht.

Forschungsfragen in diesem Bereich können beispielsweise folgende Aspekte umfassen:

  • Wie entsteht Vertrauen in wissenschaftliche Ergebnisse? Was macht jemanden zu einem Experten / einer Expertin?
  • Welches Verhältnis besteht zwischen wissenschaftlichen Ergebnissen und politischem Handeln?
  • Wie erschüttern Fake News und Verschwörungsideologien das Vertrauen in die Wissenschaft?

Wissenschaftlicher Erkenntnisprozess

Bei Wissenschaft geht es um Erkenntnis – man möchte etwas (besser) verstehen, um mit dieser Erkenntnis weiterarbeiten oder etwas Neues entwickeln zu können. Dieser Erkenntnisprozess kann selbst wieder zum Forschungsgegenstand werden.

Forschungsfragen in diesem Bereich können beispielsweise folgende Aspekte umfassen:

  • Wie findet Erkenntnis statt? Wie lernen Menschen? Welche Faktoren spielen dabei eine Rolle?
  • Wie lässt sich die kollektive Erzeugung von Wissen (z.B. von einer Fachcommunity) beschreiben?
  • Wie lässt sich eine wissenschaftliche Erkenntnis begründen, und wie kann man rechtfertigen, dass man etwas weiß?

Wissenschaftskommunikation

Über wissenschaftliche Ergebnisse muss kommuniziert werden – Forschung, die alleine im einsamen Kämmerlein betrieben wird, bleibt wirkungslos. Dabei findet Wissenschaftskommunikation sowohl intern statt, d.h. innerhalb der Fachcommunity, aber auch extern, also über die wissenschaftliche Einrichtung hinaus. Mittlerweile haben sich dafür eine ganze Bandbreite von Veröffentlichungsformaten etabliert, angefangen vom Buch über Artikel bis hin zu Blogs, Podcasts, Sachcomics uvm.

Forschungsfragen in diesem Bereich können beispielsweise folgende Aspekte umfassen:

  • Wie kann Wissenschaftskommunikation zielgerichtet und erfolgreich verlaufen? Welche Faktoren spielen dabei eine Rolle?
  • In welcher Relation stehen Inhalt und Medium zueinander? Was ist bei der Aufbereitung des Inhalts für verschiedene Medien zu beachten?
  • Wie gelingt es, nicht nur über wissenschaftliche Erkenntnisse zu informieren, sondern in einen fruchtbaren und gleichberechtigten Austausch zu treten?